IHK NRW

Chancen und Auswirkungen des EU-Mercosur- Abkommens

Auswirkungen auf die Wirtschaft

Für Geschäfte mit der Mercosur-Region überwiegt der Anteil der Unternehmen mit negativen Perspektiven deutlich. Während 15 Prozent eine Verbesserung erwarten, befürchten 22 Prozent eine Verschlechterung ihres Auslandsgeschäftes. Dieser Trend könnte durch das EU-Mercosur-Abkommen schon bald umgekehrt werden. Die politischen Verhandlungen zu diesem Abkommen wurden im Dezember 2024 mit dem Ziel abgeschlossen, den gegenseitigen Marktzugang für beide Wirtschaftsblöcke zu erleichtern. Aktuell laufen weitere Verfahrensschritte, um das Abkommen ratifizieren zu können.
Im Kontext der aktuellen handelspolitischen Lage: Trotz seines Potenzials kann der Markt des Mercosur-Abkommens die wirtschaftliche Bedeutung etablierter Partner wie der USA nicht ersetzen. Dennoch trägt das Abkommen zu einer Diversifizierung der Lieferketten bei. Entscheidend ist nun ein zügiges Inkrafttreten des Abkommens.
Auch Unternehmen aus Nordrhein-Westfalen profitieren von dem Abkommen. Unter denjenigen, die Auswirkungen auf ihr Geschäft erwarten, nannten 27 Prozent den erleichterten Marktzugang sowie die Reduzierung von Handelshemmnissen als Vorteile. Zudem werden Kosteneinsparungen durch niedrigere Zölle sowie der Ausbau oder die Neuaufnahme von Exportaktivitäten als wesentliche Chancen des Abkommens hervorgehoben. Die Unternehmen betonen zudem, dass das Abkommen die Diversifizierung von Lieferketten fördert, was angesichts der derzeit angespannten wirtschaftlichen und politischen Lage auf globaler Ebene von großer Bedeutung ist. Ebenso stellen der Ausbau und die Neuaufnahme von Investitionstätigkeiten in der Region für die Unternehmen einen erheblichen Vorteil dar.

Interview mit Barbara Konner, Hauptgeschäftsführerin der AHK Brasilien

Welche Branchen könnten besonders von dem Abkommen profitieren, und wo sehen Sie mögliche Risiken?
Das EU-Mercosur-Abkommen bietet große Chancen für deutsche Schlüsselindustrien wie dem Maschinenbau und der Automobil- und Chemieindustrie, besonders im Wettbewerb mit China auf dem brasilianischen Markt. Es fördert zudem Investitionen in die Modernisierung des brasilianischen Agrarsektors, bei dem deutsche Hersteller mit ihrem Fokus auf Spitzentechnologie sehr wettbewerbsfähig sind. Trotz Kritik, etwa aus der europäischen Landwirtschaft oder seitens europäischer Umwelt-NGOs, eröffnet das Abkommen äußerst vielversprechende Möglichkeiten für eine engere Zusammenarbeit in einem global zunehmend protektionistischen Umfeld.
Welche wirtschaftlichen Vorteile erwarten Sie für Unternehmen in Deutschland durch das Abkommen?
Konkret würde eine Freihandelszone mit mehr als 720 Millionen Konsumenten aus 31 Ländern entstehen, dessen kumulierte Wirtschaftsleistung – gemessen anhand des BIPs – sich bereits heute auf mehr als 22 Billionen US-Dollar beläuft. Dies entspricht in etwa einem Viertel der globalen Wirtschaftsleistung. Deutsche Unternehmen würden insbesondere von einem stark erleichterten Zugang zu öffentlichen Ausschreibungen in den Bereichen Infrastruktur und Transport profitieren. Zudem hat das Abkommen bereits jetzt schon wichtige Impulse auf der bilateralen Ebene zwischen Deutschland und Brasilien gesetzt, wie beispielswiese durch die Bemühungen für ein neues Doppelbesteuerungsabkommen zwischen den beiden Ländern.
Was wären die möglichen Folgen für Deutschland / Europa, wenn das EU-Mercosur- Abkommen nicht ratifiziert werden würde?
Ein Scheitern des Abkommens würde erhebliche Opportunitätskosten mit sich bringen, beispielsweise durch entgangene Export- und Investitionschancen. Besonders gravierend wäre der Verlust strategischer Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Akteuren wie China und den USA, insbesondere beim umkämpften Zugang zu kritischen Rohstoffen. Ein Scheitern des Abkommens könnte die Protektionismus-Spirale beschleunigen und den Multilateralismus langfristig schwächen. Gerade im Kontext aktueller geopolitischer Entwicklungen würde mit dem Scheitern des Abkommens beiden Wirtschaftsblöcken die zentrale Chance entgehen, eine zukunftsfähige, auf beiderseitigen Interessen basierende und nachhaltige Partnerschaft zu etablieren. Für die EU hat das Abkommen mit dem Mercosur eine strategische Dimension: Ein wertemäßig gleichgesinnter Partner, der die wirtschaftliche Unabhängigkeit der EU mit nachhaltigen Wertschöpfungs- und Lieferketten sowie einem wesentlichen Beitrag zur industriellen Dekarbonisierung auf lange Sicht erheblich stärken könnte.