IHK NRW

"Aktuell beträgt unser Umsatz nur 10 Prozent von 2019"

Schlagböhmer_First Reisebüro
Robbie Schlagböhmer, Inhaber FIRST Reisebüro Schlagböhmer, Oberhausen
"Selbstverständlich haben wir in unserem Ladenlokal die notwendigen Hygienemaßnahmen ergriffen. Wenn gerade keine Kundenaufträge abzuarbeiten sind, beschäftigen wir uns mit Digitalisierungsprojekten und Fortbildungen. Unsere Kundenbeziehungen sind intakt und unser Geschäftsmodell steht nicht grundsätzlich in Frage."
Robbie Schlagböhmer, 54, führt gemeinsam mit seiner Gattin seit über 20 Jahren ein auf Kreuzfahrten und anspruchsvolle Reisen spezialisiertes Reisebüro mit einem Team von 6 Mitarbeitenden.
IHK NRW berichtet er zu seiner aktuellen Situation und seinen Wünschen für die Zukunft:
"Als Reisebüro hat uns die Pandemie früh und voll erwischt. Schon Anfang 2020, als es in Deutschland noch keine Corona-Fälle gab, hatten wir erste Umbuchungen bei Asien-Reisen zu regeln. Mitte März kam dann die globale Reisewarnung der Bundesregierung und gemeinsam mit den Reiseveranstaltern haben wir viele Menschen aus dem Ausland zurück nach Hause geholt. Da waren auch echte Problemfälle dabei. Zum Beispiel Kunden, die auf Schiffen oder anderen Kontinenten gestrandet waren.
Nach der Rückholaktion ging es dann darum, die noch bestehenden Buchungen rück-abzuwickeln und für alle Kunden Lösungen zu finden.
Im Sommer flammte ein kurzer Funken Hoffnung auf und einige Menschen trauten sich, zu reisen. Diejenigen, die das taten, machten überwiegend positive Erfahrungen. Hotels, Fluggesellschaften und Reedereien hatten Hygiene-Konzepte sinnvoll umgesetzt, so dass man im Urlaub eine schöne Zeit haben konnte. Für die bereisten Länder, z.B. Spanien oder Griechenland, waren diese Touristen ökonomisch besonders wichtig.
Aktuell ist die Nachfrage nach Urlaubsreisen verhalten, denn die meisten Menschen warten den weiteren Verlauf des Lockdowns und der Pandemie ab. Das ist nachvollziehbar, denn Urlaubsreisen sind Luxus und nicht überlebensnotwendig. Die Menschen, denen wir bei der Rückholaktion oder bei Erstattungen intensiv geholfen haben, sind dankbar für die Unterstützung. Wir werden regelmäßig mit Geschenken bedacht und man merkt, dass die Kunden wieder raus wollen, sobald sie es für sicher erachten. Das macht uns optimistisch für die Zukunft: Unsere Kundenbeziehungen sind intakt und die Nachfrage wird irgendwann wieder anziehen. Wenn wir Glück haben, wird unser Umsatz 2021 bei ca. 30 – 50 Prozent des Jahres 2019 liegen. Bis wir wieder zu voller Stärke auflaufen, wird es wohl 2022 sein.
Aktuell beträgt unser Umsatz nur 10 Prozent von 2019. Das ist betriebswirtschaftlich eine enorme Herausforderung. Aus unseren privaten Rücklagen haben wir als Gesellschafter dem Unternehmen einen sechsstelligen Betrag als Liquiditätshilfe zur Verfügung gestellt. Wir haben also kein Liquiditätsproblem, sondern ein Ertragsproblem. Natürlich nutzen wir die Überbrückungshilfe, welche für die Reisebüros eine nützliche Detailregelung enthielt (Stichwort Provisionsrückzahlungen). Wir haben normale Öffnungszeiten, müssen aber auch Kurzarbeit für Mitarbeitende anmelden.
Selbstverständlich haben wir in unserem Ladenlokal die notwendigen Hygienemaßnahmen ergriffen. Das fällt uns nicht schwer, denn mit ca. 200 Quadratmetern Bürofläche haben wir die Möglichkeit dazu. Die Investitionen waren überschaubar und viel von unserem Geschäft kann am Telefon oder per Videoberatung erledigt werden. Dadurch können wir Kundenströme gut steuern. Wenn gerade keine Kundenaufträge abzuarbeiten sind, beschäftigen wir uns mit Digitalisierungsprojekten und Fortbildungen.
Lohnt das denn? Ja, davon sind wir überzeugt! Unsere Kundenbeziehungen sind intakt und unser Geschäftsmodell steht nicht grundsätzlich in Frage. Vielleicht gelingt es sogar, bestimmte negative Auswüchse des Tourismus zu reduzieren. Klar ist, die Welt braucht die deutschen Touristen. Aus den fernen Ländern hören wir schlimme Geschichten, weil dort das Geld der Touristen für Arbeitsplätze und Umweltschutz fehlt. Und wenn wir im Urlaub unser Geld nicht ins Ausland tragen, fehlt dort das Geld, um deutsche Maschinen und Autos zu kaufen. 
Überlebenswichtig ist aktuell die Überbrückungshilfe, denn de facto hat die Reisebranche ein Berufsverbot von der Bundesregierung auferlegt bekommen. Wichtig ist aber auch, dass die Bundesregierung den Urlaubern Planungssicherheit gibt, konkret dass die derzeitigen Quarantäne-Bestimmungen für Reiserückkehrer durch ein sinnvolles Test-Regime ersetzt werden.
Wir stehen bereit, unseren Anteil an dem kommenden Wiederaufbau zu leisten! Die Kunden werden wieder Vertrauen in Urlaubsreisen haben, die Nachfrage wird steigen."