IHK NRW warnt vor neuer Bürokratie: Vergaberecht braucht Vereinfachung statt zusätzlicher Hürden
Das öffentliche Beschaffungswesen steht in Deutschland und Nordrhein-Westfalen vor erheblichen Herausforderungen. Obwohl Politik und Verwaltung grundsätzlich erkannt haben, dass ein effizienteres Vergaberecht entscheidend für einen handlungsfähigen Staat ist, steigt die praktische Umsetzungskomplexität weiter an. Insbesondere Unternehmen sehen das Vergaberecht zunehmend als Symbol staatlicher Bürokratie – mit spürbaren Konsequenzen für Wettbewerb, Kosten und Beteiligungsbereitschaft.
„Egal ob bei Brücken, Schulen oder bei Investitionen in die Verteidigungsfähigkeit: Das Vergaberecht ist über die Jahre immer komplexer, unübersichtlicher und bürokratischer geworden. Für viele Unternehmen ist es inzwischen ein Sinnbild übermäßiger Bürokratie. Wenn wir den Investitionsstau in Deutschland wirklich auflösen wollen, brauchen wir dringend einfachere, schnellere und verlässlichere Verfahren, die Unternehmen nicht zusätzlich belasten, sondern ihnen echte Teilhabe an öffentlichen Projekten ermöglichen“, betont Dr. Ralf Mittelstädt, Hauptgeschäftsführer von IHK NRW.
Zwar hat die Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag festgeschrieben, Vergabeverfahren zu vereinfachen, zu beschleunigen und zu digitalisieren. Doch dem Stehen neue Regelungsvorhaben gegenüber, die zusätzliche Belastungen erzeugen. Mit dem geplanten Tariftreuegesetz des Bundes drohen erneut bürokratische Hürden, die Unternehmen wie öffentliche Auftraggeber vor erhebliche zusätzliche Anforderungen stellen.
So soll das zuständige Ministerium künftig detaillierte Arbeitsbedingungen per Rechtsverordnung festlegen. Dies führt nicht nur zu höherem Aufwand bei Angebotserstellung und Kontrolle, sondern verringert auch die notwendige Flexibilität laufender Aufträge. Gleichzeitig müsste staatlicherseits eine neue Stelle geschaffen werden, die Tarifverträge prüft und überwacht.
Hinzu kommt erhebliche Unsicherheit: Im Liefer- und Dienstleistungsbereich lässt sich häufig kaum eindeutig bestimmen, welcher Tarifvertrag bei einer Ausschreibung zur Anwendung kommt. Selbst tarifgebundene Unternehmen können daher nicht verlässlich beurteilen, ob ihre bestehenden Vereinbarungen ausreichen. Die Folge: es droht ein Rückzug vieler Unternehmen aus öffentlichen Ausschreibungen. Auch derjenigen, die Tarifbindung oder übertarifliche Löhne vorweisen können.
„Die ständigen Änderungen und Unterschiede im Vergaberecht schließen immer mehr Unternehmen faktisch von öffentlichen Ausschreibungen aus. Gerade kleine und mittlere Betriebe können die komplexen Regeln kaum noch nachvollziehen und verzichten aus Sorge vor Fehlern auf eine Teilnahme. Bund und Land sollten deshalb auf neue Tariftreuegesetze verzichten und stattdessen ein einheitliches, praktikables Vergaberecht schaffen, das Planungssicherheit bietet und echte Beschleunigung ermöglicht“, fordert Dr. Ralf Mittelstädt.
IHK NRW fordert daher ein Vergaberecht „aus einem Guss“, das föderale Zersplitterung vermeidet und europäische sowie nationale Novellierungen eng aufeinander abstimmt. Besonders nach der Abschaffung der kommunalen Vergabegrundsätze in NRW ist es entscheidend, dass sich kommunal ein möglichst einheitliches und praktikables Regelwerk durchsetzt.
„In wirtschaftlich schwierigen Zeiten braucht die Wirtschaft klare Aufbruchsignale. Stattdessen schafft die Bundesregierung mit dem geplanten Tariftreuegesetz, entgegen allen Ankündigungen, zusätzliche Bürokratie, die negative Folgen für Unternehmen und öffentliche Auftraggeber nach sich ziehen. Die Bundesregierung sollte deshalb auf das Gesetz verzichten und sich auf echte Vereinfachungen im Vergaberecht konzentrieren, damit Projekte schneller, verlässlicher und effizienter umgesetzt werden können,“ so der Hauptgeschäftsführer abschließend.
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