Industriepolitik

„Anreize schaffen, in die Zukunft zu investieren“ 

Mit einem Transformationsnetzwerk für die Autoindustrie, reaktivierten Brachflächen und einem Zukunftsprogramm Bioökonomie wollen Bündnis 90/Die Grünen die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie nachhaltig stärken. 

Wiebke Brems zog 2010 für Bündnis 90/Die Grünen in den NRW-Landtag ein. Die 41-Jährige ist stellvertretende Fraktionsvorsitzende, Fraktionsgeschäftsführerin und Sprecherin für Klimaschutz, Energie, Bergbausicherheit und Anti-Atompolitik.
IHK-Wirtschaftsspiegel: Mit welchen Maßnahmen wollen Sie dafür sorgen, dass die Industrieunternehmen in Nordrhein-Westfalen wettbewerbsfähige Standortbedingungen haben? 
Wiebke Brems: Das Ziel grüner Industriepolitik ist es, den Unternehmen langfristige Planungs- und Investitionssicherheit zu bieten. So wollen wir Anreize schaffen, in die Zukunft zu investieren. Außerdem soll Handelspolitik soziale und ökologische Standards einhalten. Dafür werden wir EU-Mittel nutzen, um neue und sichere Arbeitsplätze zu schaffen. Klimaverträge auf Bundesebene und die Einführung eines wirksamen Mechanismus gegen Klima-Dumping auf EU-Ebene sind dafür äußerst wichtig. Mit Blick auf die notwendige Versorgungssicherheit der Industrie muss der Ausbau der erneuerbaren Energien unbedingt mit dem Kohleausstieg einhergehen. Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine hat deutlich gemacht, dass nur Energie aus Sonne und Wind uns aus der Abhängigkeit führen kann. Besonders die Automobilindustrie spielt in NRW eine große Rolle, weshalb wir in jeder Autoregion ein Transformationsnetzwerk errichten werden. Diese sollen Strategien entwickeln, wie die Chancen des Strukturwandels genutzt werden können. Weitere anstehende Maßnahmen sind der Netzausbau und die Schaffung eines Energiespeichers mit 100 Prozent erneuerbaren Energien. 
Wie wollen Sie sicherstellen, dass es auch zukünftig noch bedarfsgerechte Flächenangebote für die Industrie gibt und welche konkreten Maßnahmen möchten Sie umsetzen, um Planungs- und Genehmigungsverfahren für den industriellen Mittelstand zu vereinfachen? 
Wiebke Brems: Aufgrund des Strukturwandels sind zahlreiche industrielle und gewerbliche Brachflächen entstanden, diese sollen mit Unterstützung des Landes reaktiviert werden. Wir werden den Grundstücksfonds NRW verstetigen, damit Kommunen die Möglichkeit haben, Flächen anzukaufen und zu entwickeln. Mit Fördermitteln des Landes werden schließlich die dortigen Altlasten beseitigt. Die Bürokratie bauen wir durch schnelle und effiziente Digitalisierung ab. Im Zuge dessen werden wir behördliche Entscheidungs-, Genehmigungs- und Prüfungsprozesse durch digitale Anwendungen beschleunigen und nach Möglichkeit automatisieren. Für Solo-Selbstständige und kleine Unternehmen bestehen bislang enorme Bürokratieanforderungen. Deshalb werden wir Bagatellgrenzen einführen und anpassen, Statistikabfragen bündeln sowie das Prinzip der Änderungsmitteilung ausweiten. 
Welche konkreten Maßnahmen werden Sie umsetzen, um die Industrie in NRW, besonders den industriellen Mittelstand, bei der Transformation in den Bereichen Dekarbonisierung und Circular Economy/Kreislaufwirtschaft zu unterstützen? 
Wiebke Brems: Die Industrie in NRW ist mittendrin in der Transformation. Viele Unternehmen haben sich bereits auf den Weg gemacht. Wir wollen und müssen als Politik die Rahmenbedingungen dafür setzen, dass die Transformation gelingt. Um das Ziel „Zero Waste“ bis 2050 zu erreichen, unterstützen wir Unternehmen auf dem Weg in die Kreislaufwirtschaft mit gezielten Förderprogrammen und verlässlichen Rahmenbedingungen. Da unser Ressourcenverbrauch nicht unendlich gesteigert werden kann, unter stützen wir Forschung und Projekte für eine auskömmliche Wirtschaft. Um die Forschung und Entwicklung von nach haltigen Rohstoffen zu fördern, etablieren wir das Zukunftsprogramm Bioökonomie und richten einen Bioökonomierat NRW ein. Besonders wichtig sind der gentechnik- und schadstofffreie Anbau und eine ökologische Nahrungsproduktion. Damit schaffen wir zukunftsfähige Arbeitsplätze in der Landwirtschaft, Chemie, Industrie und Kreislaufwirtschaft. Das Ruhrgebiet ist eine der führenden Wasserstoffregionen Deutschlands. Diesen Standortvorteil werden wir für die klimaneutrale Transformation in Nordrhein-Westfalen und in ganz Deutschland nutzen.