Industriepolitik

„Wir machen das Ruhrgebiet zum Wasserstoffzentrum“

Fotovoltaik auf jedem geeigneten Dach, halbierte Verfahrensdauer bei Planung und Genehmigung und ein Transformationsfonds in Höhe von 30 Milliarden Euro. Das sind drei Ziele der Industriepolitik der SPD. 

Frank Sundermann zog 2010 erstmals für die SPD in den NRW-Landtag ein. Der 56-Jährige ist Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft Energie und Landesplanung und seit 2015 wirtschafts- und energiepolitischer Sprecher der SPD-Fraktion.
IHK-Wirtschaftsspiegel: Mit welchen Maßnahmen wollen Sie dafür sorgen, dass die Industrieunternehmen in Nordrhein-Westfalen wettbewerbsfähige Standortbedingungen haben?
Frank Sundermann: NRW muss als nachhaltiges Industrieland Vorreiter werden. Wir machen das Ruhr gebiet zum Wasserstoffzentrum. Den Ausbau der Leitungsinfrastruktur für LNG und Strom von der Küste sowie Wasserstoff aus dem Ausland forcieren wir. Gleichzeitig bauen wir dezentral die Erzeugung erneuerbarer Energien im Land massiv aus. Das gilt insbesondere für Fotovoltaik auf jedem geeigneten Dach und Windkraft in nahezu jedem Ort des Landes, um einen angemessenen Beitrag zu den bundesweit angestrebten zwei Prozent der Landesfläche zu leisten. Deren Ausbau ist unter der amtierenden Landesregierung zum Erliegen gekommen. Allein der beschleunigte Ausbau der Erneuerbaren wird preiswerte Energie und eine von geopolitischen Zwängen unabhängige Versorgung gewährleisten. Wir sind überzeugt, dass nicht nur „harte“ Standortfaktoren über Nordrhein-Westfalens Zukunft entscheiden: Als Land der 18 Millionen bauen wir auf die Kompetenz und Schaffenskraft der Menschen in unserem Land. Wesentlich sind daher ihre Mitbestimmung, ihre Qualifizierung und eine gute Zukunft der beruflichen Ausbildung. Wettbewerbsfähigkeit bedeutet, den Fachkräftemangel aktiv zu bekämpfen und die Ausbildungsbedingungen, in der Berufsschule, im Betrieb oder in Relation zu einem akademischen Werdegang, attraktiver zu machen.
Wie wollen Sie sicherstellen, dass es auch zukünftig noch bedarfsgerechte Flächenangebote für die Industrie gibt und welche konkreten Maßnahmen möchten Sie um setzen, um Planungs- und Genehmigungsverfahren für den industriellen Mittelstand zu vereinfachen?
Frank Sundermann: Flächen sind ein begrenztes Gut und vielen Nutzungsansprüchen unterworfen. Hier sind die verschiedenen Interessen regional in Einklang zu bringen. Zur Optimierung von Planungs- und Genehmigungsverfahren werden wir, auch mit dem Bund, ein Maßnahmenbündel voranbringen. Die Verfahrensdauer soll halbiert werden. Mit Beschleunigungszentren und Service-Centern für die kommunalen Genehmigungsbehörden wollen wir die Bearbeitung von Genehmigungsanträgen nach Bundesimmissionsschutzgesetz und die rechtssichere Ausweisung von Zonen für die Windenergienutzung erleichtern. Hier soll überregional Expertise gebündelt werden, um Behörden auf Gemeinde- und Kreisebene zu entlasten. Fördermittel des Bundes werden aufgrund bürokratischer Hürden oder fehlender Planungs- und Baukapazitäten zu wenig abgerufen. Kommunen können teilweise Eigenbeiträge nicht erbringen und brauchen unsere Unterstützung. Wir setzen uns für eine Verschlankung der Antragsverfahren ein. Wir stellen Förderprogramme und das kommunale Vergaberecht auf den Prüf stand. Im Rheinischen Revier werden wir eine Sonderplanungszone einrichten. 
Welche konkreten Maßnahmen werden Sie umsetzen, um die Industrie in NRW, besonders den industriellen Mittelstand, bei der Transformation in den Bereichen Dekarbonisierung und Circular Economy/Kreislaufwirtschaft zu unterstützen? 
Frank Sundermann: Etwa die Hälfte der energieintensiven Unternehmen in Deutschland produzieren in NRW. Wir müssen sie unterstützen, damit die sozial-ökologische Transformation gelingt. Über einen Transformationsfonds in Höhe von 30 Milliarden Euro kann das Eigenkapital und damit die Investitionsfähigkeit der Unternehmen gestärkt werden. Über Anleihen (Green Bonds) sammelt der Fonds Geld auf den Kapitalmärkten. Dieses wird vor allem an mittelständische Betriebe vergeben, die ihre Verfahren und Produktionsweise grundlegend umstellen (z. B. auf Wasserstoff oder zirkuläre Ansätze). Unterstützend werden eine landesweit koordinierende Transformationsagentur sowie regionale Transformationsbeiräte aus Vertretern der Kreise, Gemeinden, Unternehmen, Gewerkschaften und Wissenschaft tätig.