IHK NRW

„Nordrhein-Westfalen als Energie- und Industrieland Nummer 1 stärken, Endverbraucherpreise stabilisieren - Mit der Energieversorgungsstrategie für saubere, zuverlässige und bezahlbare Energie sorgen“

I. Allgemeine Bewertung

Die vorliegende Energieversorgungsstrategie NRW, deren Erstellung bereits im Koalitionsvertrag der schwarz-gelben Landesregierung verankert wurde, soll einen „machbaren Weg in eine energiesichere, wirtschaftlich erfolgreiche und klimaverträgliche Zukunft“ aufzeigen. Die Landesregierung bekennt sich in der Strategie zu den Klimaschutzzielen von Paris und zu einer „nachhaltigen Energieversorgung durch erneuerbare Energien in den Sektoren Strom, Wärme und Mobilität“.
Der dem Papier zugrundeliegende Ansatz, strategische Überlegungen für die Ausgestaltung der Energieversorgung sowie des Klimaschutzes zu formulieren, wird von IHK NRW grundsätzlich begrüßt. In der Tat ist Nordrhein-Westfalen als Energieland Nr. 1 in besonderer Weise von der Energiewende und den damit einhergehenden Herausforderungen betroffen.
In Abschnitt A der Energieversorgungsstrategie wird zutreffend beschrieben, welche Rahmenbedingungen und Prozesse für das politische Handeln in Nordrhein-Westfalen heute und in Zukunft besondere Relevanz entfalten. Dies sind insbesondere die energie- und klimapolitischen Zielsetzungen auf Ebene der EU und des Bundes und die dabei zur Anwendung kommenden Instrumente wie der Europäische Emissionsrechtehandel (ETS), der angestrebte Ausstieg aus der Kohleverstromung, die strukturellen Besonderheiten NRWs sowie der übergreifende Prozess der Digitalisierung. IHK NRW begrüßt insbesondere das klare Bekenntnis zu einer ausgewogenen Berücksichtigung des energiepolitischen Zieldreiecks sowie die im Abschnitt A 4. genannten strategischen Ziele für NRW.
Abschnitt B der Energieversorgungsstrategie NRW adressiert 17 Handlungsfelder, die jeweils NRW-bezogene Maßnahmen sowie Forderungen an den Bund und die EU umfassen. Aus Sicht von IHK NRW werden die einzelnen inhaltlich relevanten Aspekte der Energiewende damit breit und nahezu umfassend abgedeckt. Positiv zu bewerten ist, dass die Landesregierung aus den benannten strategisch wichtigen Handlungsfeldern auch Ideen für konkretes Handeln entwickelt. Dies stärkt zugleich die Sprachfähigkeit Nordrhein-Westfalens auf Berliner und Brüsseler Ebene.
Während richtigerweise ein Fokus auf die Sektoren Wärme und Gebäude gelegt wird, die im Rahmen der Energiewende bislang insgesamt nicht hinreichend betrachtet wurden, fehlt eine Behandlung des Sektors Landwirtschaft. Grundsätzlich fällt zudem auf, dass die Energieversorgungsstrategie keine konkreten Aussagen zum Klimaschutz trifft, soweit dies über die Nennung als strategisches Ziel („Nordrhein-Westfalen wird einen wichtigen Beitrag zu den Klimaschutzzielen leisten“) hinausgeht. Auch auf das derzeit intensiv in der Diskussion befindliche Instrument einer CO2-Bepreisung, sei es in Form einer Ausweitung des ETS (Mengensteuerung) oder einer Lenkungsabgabe (Preissteuerung), wird nicht eingegangen.
Die Energieversorgungsstrategie stellt Chancen, Herausforderungen und mögliche Handlungsansätze in den einzelnen Themenfeldern recht umfassend dar. Die grundsätzliche Zielrichtung des Papiers trifft auf die Zustimmung von IHK NRW. Kritikwürdig erscheint hingegen, dass Ziele, soweit sie formuliert werden, zumeist nicht quantifiziert sind. Ebenso finden sich keine belastbaren Aussagen im Hinblick auf einen Zeit- oder Umsetzungskorridor. Insbesondere nimmt die Energieversorgungsstrategie keine Priorisierung der einzelnen Handlungsfelder oder Maßnahmen vor. Sie zeigt somit zwar Handlungsbedarf auf, es bleibt jedoch unklar, in welchen Bereichen die Landesregierung zukünftig Schwerpunkte setzen möchte. Dem Anspruch einer Strategie wird sie somit nur bedingt gerecht. Aus Sicht von IHK NRW bleiben deshalb noch einige Fragen offen. Wünschenswert wäre es, die Energieversorgungs-strategie NRW – ähnlich wie bei der Erstellung – auch zukünftig im engen Dialog mit der Wirtschaft und den weiteren Stakeholdern dynamisch weiterzuentwickeln, wobei die auf Ebene des Bundes verabredeten Maßnahmen zum Klimaschutz und zum Kohleausstieg in besonderer Weise zu berücksichtigen sind.

II. Bewertung einzelner Punkte

  • Zu 7. Flexibilisierungspotenziale auf der Verbraucherseite bzw. bei Unternehmen nutzen: IHK NRW begrüßt die Absicht, die Chancen von Verbrauchsflexibilisierung in der Industrie zu identifizieren und zu nutzen. Hierbei bietet es sich an, auf den Ergebnissen der Studie „Energiewende in Deutschland – Perspektiven für Industrie & Gewerbe“ aufzubauen, die 2016 im Auftrag von IHK NRW erstellt wurde und in deren Rahmen bereits konkrete Fallbeispiele untersucht wurden.
  • Zu 10. Wettbewerbsfähigkeit der Industrie sicherstellen und Bezahlbarkeit der Strompreise gewährleisten: IHK NRW unterstützt das Ansinnen, sich zur Entlastung der Verbraucher auf Bundes- und EU-Ebene für eine umfassende Strompreiskompensation und eine Senkung der Stromsteuer einzusetzen. Neben einer Entlastung der Verbraucher in der Breite sind dadurch auch positive Effekte für die Sektorenkopplung zu erwarten.
  • Zu 11. Energieerzeugung aus Erneuerbaren Energien und deren nachhaltigen Ausbau akzeptanzgesichert, technologieoffen sowie markt- und systemintegrativ gestalten: Bei Wind onshore und besonders bei der Photovoltaik wird laut der Energieversorgungsstrategie bis 2030 „ein starkes Wachstum der installierten Leistung“ angestrebt, so dass NRW „seinen Beitrag“ zum 65 Prozent-Ziel der Bundesregierung leistet (bei Wind onshore von 5,4 GW auf 10,5 GW und bei Photovoltaik von 4,6 GW auf 11,5 GW gegenüber Anfang 2018; für 2035 könnten perspektivisch bis zu 12 GW Wind onshore und 13 GW Photovoltaik erreicht werden). Zugleich soll der weitere Ausbau der erneuerbaren Energien „stärker akzeptanzgesichert“ erfolgen. Insgesamt wird nicht hinlänglich klar, wie der angestrebte ehrgeizige Ausbau der erneuerbaren Energien erreicht werden soll. Auch im Sinne der Versorgungssicherheit sowie der Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts sollte bei der Umsetzung der Energieversorgungsstrategie weiter konkretisiert werden, wie der angestrebte ehrgeizige Ausbau der Ausbau der Erneuerbaren Energien erreicht werden soll. Um wie hier gefordert den Ausbau der erneuerbaren Energien insbesondere in Form der Photovoltaik auch in Industrie und Gewerbe voranzubringen, bietet die IHK-Organisation gern ihre Unterstützung bei Begleitmaßnahmen an. Entsprechende Vorschläge finden sich bspw. bereits in der „Agenda.Ruhr“ der Ruhrgebiets-IHKs.
IHK NRW ist der Zusammenschluss der 16 Industrie- und Handelskammern in Nordrhein-Westfalen. IHK NRW vertritt die Gesamtheit der IHKs in NRW gegenüber der Landesregierung, dem Landtag sowie den für die Kammerarbeit wichtigen Behörden und Organisationen.